Kasachstan
Kasachstan

Kasachstan

Die Fähre von Baku nach Aktau ist ein echtes Abenteuer. Sie quert das Kaspische Meer von Aserbaidschan nach Kasachstan. Zunächst einmal fährt sie nicht in Baku ab, sondern etwa 70 km entfernt in der Nähe von der kleinen Stadt Alat. Und sie kommt auch nicht in Aktau an, wie vielleicht der Name der Fährverbindung vermuten lässt. Sie kommt etwa 80 km entfernt von dort an. Beide Häfen sind weit entfernt von einer Stadt – irgendwo im nirgendwo.

Für die Fähre gibt es keinen Fahrplan und niemand kann uns wirklich genau sagen wann sie losfährt. Wir telefonieren am Mittag mit dem Büro von der Caspian Sea Company. Dort bekommen wir die freudige Nachricht: „Heute Abend geht eine Fähre. Ihr solltet bis 17 Uhr da sein.“ Manche von euch kennen ja Roberts Geduld … natürlich machen wir uns sofort auf den Weg und kaufen in Alat in einem kleinen Supermarkt noch Kekse, Obst, Brot, Käse und Wurst ein. Wir gönnen uns auch noch 2 Dosen Bier. Gegen 15 Uhr sind wir an der Hafenanlage. Dort stehen etwa 100 LKWs, die auf eine Fähre warten und einige wenige Pkws. Hier legen genau zwei Fähren ab – irgendwann: eine geht nach Turkmenistan und eine nach Kasachstan. Die Hafenanlagen sind recht neu oder im Bau oder noch in Containern. Wir suchen den Container in dem wir unsere Tickets kaufen können. Lustigerweise steht dieser Container mit dem Ausgang nach hinten – aber wir finden ihn trotzdem. Ein Ticket für eine Person mit Motorrad kostet 180 Dollar. Im Preis sind die Mahlzeiten an Bord enthalten und man schläft in einer 4 Bettkabine. Die geplante Zeit für die Überfahrt sind 30 Stunden. Wir kaufen also unsere Tickets und der freundliche Mitarbeiter erklärt uns, dass es einige Zeit dauern wird bis die Tickets ausgedruckt werden können. Eines haben wir bereits gelernt unterwegs: Wir fragen nie „WARUM?“ Er schlägt jedoch vor, dass wir in der Zwischenzeit zum Zoll fahren und uns dort registrieren lassen. Dort kommen wir an und finden den größten Teil der Belegschaft schlafend. Freundlicherweise kümmert sich aber ein Herr um uns und erklärt uns mithilfe seines jüngeren Kollegen, der sogar etwas englisch kann: „Ich brauche euer Ticket um euch zu registrieren“ Also fahren wir fröhlich wieder zurück zum Ticketcontainer und fragen nach unserer Fahrkarte. Der Mitarbeiter drückt auf einen Knopf und die Fahrkarten kommen aus dem Drucker… Noch Fragen?

Also wieder zurück zum Zoll und Daffy & Daky werden registriert. In der Zwischenzeit kommen auch noch andere Reisende an. Wir treffen zwei amerikanische Fahrradfahrer die seit 1,5 Jahren um die Welt radeln, einen Türken, der mit dem Fahrrad in 100 Tagen von Istanbul nach Kirgisien fährt, eine junge Französin, die trampt und zwei sympathische holländische Motoradfahrer, die 3 Monate lang der Seidenstraße folgen. Mit John und Edwin freunden wir uns an und dazu haben wir viiiieeeeel Zeit. Inzwischen ist es 19 Uhr und wir setzen uns in einen Warteraum. Am nächsten Morgen um 6 Uhr kommen zwei Soldaten und wecken alle Wartenden. Zum Glück kann der Türke sich sehr gut mit den Aserbaidschanern verständigen, da sich die Sprachen ähneln. Die wichtige Nachricht am frühen morgen: Heute fährt kein Schiff! Danke für das Wecken in der Früh um uns diese dringende Nachricht mitzuteilen. Das Hafengelände dürfen wir natürlich mit den Motorrädern nicht mehr verlassen, da diese bereits durch den Zoll sind. Nach einem fröhlichen Frühstück (was wir zum Glück immer ausreichend dabei haben), gehe ich zum Eingang des Hafens um zu fragen ob wir vielleicht mit einem Motorrad das Gelände verlassen dürfen. Inzwischen sind wir ja bereits etwa 20 Stunden hier. Der Mann sag klar und deutlich NIET. Ich bleibe bei ihm stehen (ist auch so ein Trick, den ich inzwischen gelernt habe) und nach einiger Zeit fragt er auf welche Fähre wir warten. Ich sage „Kasachstan“ und er sagt: „Loading NOW!“ Vor ungefähr drei Stunden hatten wir die Info bekommen, dass heute kein Schiff kommen wird und jetzt wird es gerade beladen 😊

Der Hafen von Alat
Unsere Fähre
An Bord teilen wir alles was wir noch zu essen haben – es gibt nix zu kaufen (Danke John für ein Bild mit mir :-))

Ich kürze jetzt einfach mal ab: Wir packen, wir reisen offiziell aus Aserbaidschan aus, wir quatschen etwa 30 Minuten mit den Zöllnern, die unser Gepäck eigentlich untersuchen sollten, uns aber stattdessen zum Tee einladen und dann fahren wir als erste an Bord. Vier BMWs im leeren Laderaum der Professor Gul (schöner Name für ein Schiff, oder?). Bis 16 Uhr ist alles geladen und dann warten wir noch bis 19 Uhr und wir fahren los. Die Überfahrt ist sonnig und wir haben viel Zeit – denn wir kommen am nächsten Tag gegen Mitternacht in Kasachstan an. Für die Einreise und Zollkontrolle brauchen wir nochmal 3 Stunden. Gegen 4 Uhr morgens sind wir so müde, dass wir zu viert beschließen unsere Zelte direkt neben dem Hafengelände aufzubauen.  Wir haben inklusive Wartezeiten 60 Stunden für diese Fährfahrt gebraucht. PUH! Aber es war nett und wir haben uns in dieser Zeit wirklich toll mit Edwin und John angefreundet und beschlossen eine Zeitlang zusammen weiterzureisen.  

Wir schlafen direkt neben dem Hafengelände in Kasachstan
So sieht hier die Schutzkleidng aus – wir bestaunen uns gegenseitig

Kasachstan hier in dieser Region ist wirklich total flach und karg – aber gleichzeitig auch faszinierend. Straßen, die bis zum Horizont immer geradeaus gehen und immer wieder freilaufende Pferde, Kamele und Dromedare. Sonst nix! Es gibt auf hunderten Kilometern keinen Baum und keinen Strauch und keine Häuser. Das haben wir so noch nie gesehen und sind total fasziniert. Sonnenschein und gleichbleibender Seitenwind bei 22 – 24 Grad begleiten unsere gut gelaunte Fahrt zu viert. Die beiden kleinen GS (Daffy & Daky) immer vorneweg und die beiden 1200er GS hinten dran. Die Karawane zieht weiter.

Das Wasser ist selten und wird gern genutzt
Die Karawane zieht am Kamel vorbei 🙂
Noch ein Bild von Barbara – Danke John
Endlose Weiten
Überall werden wir bestaunt
Frau mit Handtasche und Haustier
Wunderschöne Pferde
Ein helles Kamel am Strassenrand
Kleines Dorf in Kasachstan – aufgenommen mit unserer Sena 10c pro

Am Nachmittag sehen wir von weitem das einzige Wäldchen weit und breit und sofort kommt die Idee auf, dort nach einem Platz für unsere drei Zelte zu fragen. Tatsächlich ist das Gelände Privat und der Sohn des Farmers spricht sogar etwas englisch. Er fragt nach und der stolze Vater zeigt uns sein Wäldchen und wir dürfen Tische und Bänke nutzen und selbstverständlich unsere Zelte aufbauen. Ungewöhnlicherweise gibt es hier soviel Waser, dass er sogar gerade einen Pool flutet. Wegen der darin schwimmenden Schlange nehmen wir allerdings von einem Bad Abstand.

Der stolze Kasache zeigt uns seinen Pool in seinem Wäldchen!
und kommt mit den Kindern zur Fotosession mit Motorad zurück…
Wir geniessen sein Paradies

Am nächsten Tag folgen wir einem unbefestigten Pfad (total tolle Offroadstrecke) zu einem See, den wir auf der Karte entdeckt hatten. Was uns dort erwartet, ist einfach atemberaubend. Wir finden einen Salzsee, der von riesigen Kalkfelsen umgeben ist, die teilweise ganz bizarre Formen haben. Wunderschön und einfach unglaublich in einer Landschaft, die seit 2 Tagen einfach immer gleichbleibend öde ist. Wir verbringen hier viel Zeit und genießen unser Mittagessen in der kasachischen Sonne mit Seeblick.

Hier sitzen wir lange und genießen die Stille und den Ausblick auf das Wasser
4 BMWs in unwirklicher Landschaft am Salzsee

Unser Übernachtungsplatz ist wieder speziell – wir fahren einfach in ein kleines Dorf und fragen wo wir uns Zelt aufstellen dürfen. Viele Kinder und Jugendliche kommen und jeder lacht und ist fröhlich. Wir zählen gemeinsam auf englisch bis 10 und machen viele Fotos mit vielen Handys. Zuerst wird der Dorfälteste angerufen, der kommt und begrüßt uns sehr würdevoll, dann wird die Englischlehrerin angerufen, die schüchtern und mit recht schlechtem Englisch unsere Fragen an den Dorfältesten übersetzt. Unsere Idee an der Moschee zu zelten wird freundlich abgelehnt – wir hatten vergessen, dass gerade Ramadan ist und abends sich hier alle versammeln. Gemeinsam machen wir das was uns schon so oft weitergeholfen hat – wir warten einfach ab. Nach etwa 1 Stunde vor der Moschee mit den Kindern, kommt dem Dorfältesten plötzlich eine Idee. Ein weiteres Telefonat und ein junger Mann mit seinem Lada darf den Dorfältesten fahren und wir vier brettern über die Schlaglochpiste hinterher. Wir fahren etwa 3 Kilometer aus dem Dorf heraus und kommen zu einem Gelände, welches bereits von weitem an ein Gefängnis erinnert. Wachturm, hohe Mauern, Stacheldraht, Scheinwerfer… An dem großen Eisentor steht ein alter freundlich grinsender Kasache und lässt uns alle herein.  Was finden wir hier? Eine völlig verlassene, nicht sehr gepflegte Anlage, die einem Scheich aus Abu Dhabi gehört und die für Falkenjagd gebaut wurde. Leider können wir keine weiteren Fragen stellen, da die Englischlehrerin im Ort geblieben war und die Kommunikation nicht sehr gut funktioniert. Der Ort ist irgendwie gespenstisch, offensichtlich selten oder noch nie genutzt und verlassen. Wir können hier unsere Zelte aufbauen und abends ein Lagerfeuer anzünden. Der alte Wächter der Anlage schaut uns dabei sehr interessiert zu und kommt auch am nächsten Morgen wieder zu uns – diesmal mit einem sehr würdevollen Mann, vom dem wir denken, er könnte der Iman des Dorfes sein. Er wollte uns auch mal kennenlernen. Wir sind uns sehr sicher, dass wir noch lange in diesem kleinen Dorf in der Kasachischen Einöde für Gesprächsstoff sorgen werden.  Alles wird genau begutachtet: Die Zelte, die Campingstühle, die Motorräder und natürlich wir. Immer wieder stelle ich hier auch fest, dass die Rolle der Frauen in Kasachstan sehr anders ist als bei uns. Alle Frauen sind sehr zurückhaltend und schüchtern und sie werden von den Männern auch nicht wirklich begrüßt. Selbst die Englischlehrerin war sehr irritiert, als Edwin ihr auch die Hand geben wollte – sie hat das ganz offensichtlich verweigert. Auch ich werde hier höflich ignoriert…

Im Dorf mit den Kindern
Die verlassene Anlage wird zu unserem Campingplatz
Hinter diesen Mauern haben wir behütet geschlafen

Nach einer Nacht in einem Hotel (und DUSCHE) und einer kleinen Geburtstagsfeier für John in einem sehr leckeren Restaurant fahren wir am nächsten Morgen zur Grenze nach Usbekistan. Wir werden uns Kasachstan später noch weiter anschauen.

In der Nähe von unserm Hotel besuchen wir auch einen Schulhof auf dem die Jugendlichen einen Volkstanz üben
…. und natürlich werden wieder sehr viele Bilder mit sehr vielen Handys gemacht

Der Weg nach Usbekistan gehört zu den schlimmsten Straßen, die wir bisher gefahren sind. Es wird gerade gebaut und immer wieder müssen wir die Baustellen umfahren. Teilweise durch tief zerfurchten getrockneten Schlamm und teilweise durch weichen, tiefen Sand – und das ganze in den Staubwolken von den Trucks die hier fahren. Wir kämpfen uns durch!

So werden hier Steinblöcke verladen
Der Weg nach Usbekistan ist sandig

An der Grenze zu Usbekistan werden wir auf beiden Seiten an allen Wartenden vorbei gewunken. Teilweise von den Einheimischen, aber vor allem von allen Soldaten und Zöllnern. Hier werden Ausländer immer vorn in die Reihe gestellt. So benötigen wir für den Grenzübergang nur etwa eine Stunde, für den andere 4-6 Stunden brauchen. Das fühlt sich ein wenig unangenehm an, aber ist nach der anstrengenden Fahrt im warmen Wind auch irgendwie ziemlich komfortabel. Hier ist es ein Privileg ein Ausländer zu sein!

Die Grenzer sind unglaublich freundlich und erstaunlich viele sprechen einigermaßen englisch. Ich habe gelesen, dass die Alphabetisierungsrate in Usbekistan bei 99, 7 % liegt. Das Auftreten der Menschen ist gleich viel gelöster und freier als in Kasachstan. Direkt nach der Grenze gehen wir etwas essen. Wir werden eingeladen in einer Jurte zu essen, statt in dem großen Kaffee. In dieser Jurte ist es wunderschön und wir merken, dass die Fahrt recht anstrengend für uns war. Außerdem kommt gerade ein Sandstrum auf – also fragen wir einfach ob wir in der Jurte heute Nacht schlafen dürfen. Wir dürfen! Für ein super Essen mit Hühnchen, Pommes und Salat (mehr als wir essen können) und der Übernachtung in der Jurte zahlen wir 211 000 Sum (das sind 21 Euro) – nicht pro Person… für alle vier zusammen!!!

Willkommen in Usbekistan!

ride2seetheworld

Ein Kommentar

  1. Pingback: Kirgisien – das Land der Jurten – ride2seetheworld.de

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