Wir verlassen Cuenca und fahren zurück in den Osten oder wie die Ecuadorianer sagen „al oriente“. Wir lieben die Natur hier am Rande des Amazonasbecken und so suchen wir uns auch wieder einen Platz zum Zelten. Der Weg dorthin führt über die Straße 594, welche in die Liste unserer Lieblingsstraßen aufgenommen wird. Total einsam (es ist mal wieder Sonntag) meistens sehr gut geteert und auf 3300 Metern unbefestigt mit extrem steilen, tiefen Abgründen auf der rechten Seite. Die Wolken hängen zwischen den Abhängen und die ganze Szene ist irgendwie mystisch und schön. Kurzzeitig ist der Nebel sehr dicht – und wir können nur erahnen, wie die Ausblicke ins Tal sein könnten. In diesem Moment wissen wir ja noch nicht, dass wir in wenigen Tagen hier wieder zurück fahren werden….
Der Platz zum Zelten den wir finden, ist ein Balneario, welches so in Google maps eingetragen war. Das bedeutet einfach nur „Badestelle“. Diese Badestelle liegt an einem kleinen Fluss und das Gelände ist Privatbesitz. Victor und seine Familie betreiben hier einen sehr simplen Essensstand und verkaufen Pommes (selbstgemacht) und Bier. Das Balneario kostet keinen Eintritt und auch das Zelten erlaubt er uns kostenfrei. Das kommt wirklich selten vor und wir fühlen uns sofort sehr willkommen. Etwa 80 – 100 Einheimische verbringen hier ganz gechillt ihren Sonntagnachmittag und sitzen stundenlang im Wasser. Wir machen es ihnen nach und beantworten auch noch etwa 269 Fragen bei allen Einheimischen, die sich zu uns und unseren Mopeds trauen. „Wo kommt ihr her? Wo fahrt ihr hin? Wieviel Kinder habt ihr? Was kosten die Motorräder? Wieviel fahren die als Höchstgeschwindigkeit? usw.. So kommen wir auch erst nach Sonnenuntergang dazu unsere Villa Verde neben dem Fluss aufzubauen. Nachdem alle Badegäste den Ort verlassen haben, kommt auch Victor mit ganzer Familie noch zu uns und fragt uns über unsere Reise aus. Es schüttet die ganze Nacht und auch am Morgen wird es nicht richtig trocken – also packen wir unser Zelt feucht ein! Aber wir fahren ja in Richtung Süden und planen auch in den nächsten Tagen zu zelten. (dachten wir zu dem Zeitpunkt)
Kurz hinter Zamora kommen wir plötzlich an eine recht lange Schlange von Bussen und LKW´s. Das passiert nicht das erste Mal und so fahren wir gelassen vorbei, da wir eine Baustelle und eine kurzzeitige Sperrung der Strasse erwarten. Am vorderen Ende der Schlange erwartet uns jedoch keine Baustellenabsperrung, sondern die Polizei. Der Polizist teilt uns freundlich mit, der Weg nach Loja sei seit der letzten Nacht aufgrund von Bergrutschen gesperrt und vor dem frühen Abend sei auch nicht mit einem Durchkommen zu rechnen – und dann fügt er noch hinzu „tal vez manana“ (vielleicht morgen). Kurz beratschlagen wir was zu tun ist. Und suchen uns dann ein nahes Naturschutzgebiet, in dem wir hoffen campen zu können. Nach einer kurzen Fahrt von 20 Minuten kommen wir dort an, finden aber keinen Platz für die Nacht. Also spannen wir kurzentschlossen eine Wäscheleine, trocknen unser Zelt, kochen einen Kaffee und genießen die Nachmittagssonne. Im Städtchen Zamora finden wir ein nettes Hotel und unser Abendspaziergang lässt uns mal wieder über die gute Infrastruktur in Ecuador staunen. Zamora ist sehr gut beleuchtet in der Nacht, die Promenade am Fluss ist eine wirklich schöne Flaniermeile mit Spielplätzen auf Kunstrasen und Aussichtstürmchen und alles ist sauber und ordentlich. Es gibt freies Wlan und so manche Familie sitzt in der lauen Abendtemperatur am Fluß und die Kinder spielen fröhlich.
Am Abend und in der Nacht…
Am nächsten Morgen kommt die schlechte Nachricht von der Rezeptionistin: In der Nacht hat es wieder stark geregnet und neue Felsbrocken sind auf die Straße gerutscht. Es gibt noch immer kein Durchkommen nach Loja. Wie wir später erfahren, sollte es auch noch zwei weitere Tage nicht möglich sein von Zamora nach Loja zu fahren.
Auf Roberts Navi App (OSMand+) gibt es in der Nähe von Zamora einen Weg, der auf die weiter westlich liegende Panamericana führt. Auf google maps existiert der Weg nicht!!! Wir fragen ein paar Einheimische (Taxifahrer und Busfahrer) und alle bestätigen: mit euren Motorrädern kommt ihr da durch. Wir starten also das Abenteuer „Abkürzung“ und…………. drehen nach 25 gefahrenen Kilometern wieder um. Einige extrem matschige Passagen haben uns gezeigt, wie schwierig es noch werden wird, wenn wir noch höher fahren. Was soll ich sagen: wir haben immer noch nicht gelernt, die Hinweise der Einheimischen einzuschätzen. Die sind sicherlich alle noch nie ein Motorrad gefahren, welches bereits leer fast 200 kg wiegt und zusätzlich noch einiges an Gepäck geladen hat.
Also bleibt uns nur eines: Wir fahren die 250 km zurück nach Cuenca. Wenn in solchen Ländern eine wichtige Verbindung nicht befahrbar ist, dann kann das schon mal einen mehrtägigen Umweg bedeuten…… So erleben wir die wunderschöne Straße nach Cuenca von der anderen Blickrichtung – und haben sogar auf dem Gipfel bei über 3300 Metern eine atemberaubende Fernsicht. Zwischendurch erreicht Daffy einen Kilometerstand, den sie bereits vor der Reise erreicht hatte: 33.333 km hat sie jetzt (erneut) auf der Uhr. Mehr als 100.000 km kann die Anzeige nicht zeigen, daher befindet sie sich jetzt im zweiten Umlauf…. Stolze Leistung!
Wir geniessen auch den Rückweg
In Cuenca bleiben wir eine Nacht (wir waren ja bereits eine Woche hier) und entscheiden uns dort für einen Weg weiter im Westen (Meeresnähe) um den heftigen Regenschauern am Nachmittag und in der Nacht auszuweichen. Offensichtlich hat in diesem Jahr die Regenzeit in Ecuador bereits etwas früher begonnen.
So kommen wir einige Tage später an die Grenze zu Peru und verabschieden uns von dem schönen Ecuador.
Die Zeit hier in diesem kleinen Land war für uns geprägt von wunderschönen „Urlaubstagen“ und einigen Überlegungen unsere Zukunft betreffend. Wir hatten die Hans Loco Tour, tolle Tage auf Galapagos und die Woche auf der Lodge am Amazonas. Deutlich merken wir wie sehr unser Reisestil uns Kraft kostet und es daher so wunderbar erholsam sein kann, sich auch mal führen zu lassen. Wir diagnostizieren eine kleine Reisemüdigkeit und fassen daher nach einigen Gesprächen einen Entschluss: Im März werden wir unsere jetzige Reise beenden und Daffy und Daky nach Deutschland verschiffen. Diese Entscheidung setzt erstaunlicherweise sofort eine neue Energie in uns frei und mit frischem Elan reisen wir in Peru ein. Wir freuen uns auf einige weitere Monate in Südamerika und auf einen neuen Lebensabschnitt ab März 2023.
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