Wir verabreden uns mit Andrea und Tom auf der Finca Sommerwind bei Ibarra. Die beiden sind auch seit einigen Monaten mit den Motorrädern (auch zwei BMW F 650 GS) in Südamerika unterwegs und bewegen sich langsam von Süd nach Nord – also genau entgegen unserer Reiserichtung. Wir treffen uns auf dem wunderbaren Campingplatz von Hans. Er ist vor 12 Jahren nach Ecuador ausgewandert und betreibt hier ein deutsches Restaurant und einen Campingplatz. In der Reiseszene ist er bekannt und hat schon viele Reisende unterstützt, die in Ecuador Hilfe brauchten. Sein Kühlschrank ist voll mit deutschen Bieren und seine Schnitzel mit Kartoffelsalat sind ungefährt genauso lecker, wie das Sauerkraut mit Nürnbergern…. Ein Platz zum Verweilen! Uns erzählt er von seiner „Hans Loco Tour“ der „Verrückten Hans Tour“. Und wir sind sofort Feuer und Flamme und entscheiden uns zu viert diese Tour zu machen!
Nach einigen Startschwierigkeiten, da das Auto von Hans ewig nicht aus der Werkstatt zurück kommt, starten wir am Mittwoch morgen mit Mietwagen in Richtung Küste. Unser Ziel liegt im äußersten Nordwesten von Ecuador an der Grenze zu Kolumbien: Reserva Ecologica Manglares Cayapas Mataje. Ein Mangrovenschutzgebiet, in dem sich die Nachfahren von Sklaven angesiedelt haben und es nicht so richtig zu den berühmten Ausflugszielen des Landes zählt. Hans sagt nur ganz vorsichtig: Es gibt Menschen, die die Gegend als gefährlich einstufen….. Aber es gibt dort eben auch vergessene Schätze!
Wir erreichen Las Peñas am Nachmittag, hüpfen in das Meer und vertilgen danach in einem nahen Restaurant die beste Seafoodplatte, die wir je gegessen haben. Auf dem Weg machen wir Stopp bei einem Kakaogroßhandel und Hans erklärt uns einiges über den Anbau und den Verkauf von Kakao.
Am nächsten Morgen schwingen wir uns aus unseren Betten (Hans hat auch die Unterkunft für uns gebucht) und fahren nach Borbón. (Ehrlich gesagt ein etwas finsteres Nest) Dort wartet unser Boot mit Kapitän auf uns, der uns den gesamten Tag durch die Mangroven schippern wird. Ich liebe Bootsfahrten! Wir fahren vorbei an einfachen Hütten, an denen Kokosnüsse aus der Schale geschlagen werden. Eine wichtige Einnahmequelle! Und zur Zeit auch eine große Gefahr, da seit ein paar Monaten eine Käferplage alle Palmen befällt und sie hier in der Gegend großflächig absterben. Ein trauriger Anblick, wenn von den Palmen nur noch der Stamm dasteht. Auf die Frage was sie machen werden, wenn es keine Kokospalmen mehr gibt, antworten die Einheimischen: „Das werden wir dann sehen“. Doch wir erleben auch andere Geschäftsmodelle. Die Zucht von Krebsen bringt hier im Land gutes Geld und ganz stolz bekommen wir die Ausbeute aus den Fallen gezeigt. In den Basins werden die Krebse noch eine Weile mit Gemüse größer gefüttert und dann verkauft. 9 Krebse bringen 20 Dollar. Viel Geld hier in der Gegend.
Unser erster „Vergessener Schatz“ ist die Insel La Tolita. Wir halten an einem etwas schmuddeligen Strand vor den einfachen Holzhütten und zwischen den Booten zeigt Hans auf den Boden und erklärt uns: „Alle Scherben, die ihr hier findet sind etwa 2500 Jahre alt.“ Und tatsächlich liegt hier alles voll mit Scherben. Sofort erscheinen ein paar einheimische Frauen und Kinder und möchten uns ihre Fundstücke verkaufen. Ihre Fundstücke sind ganze Tonköpfe und Vasen. Eine zeigt uns ein Phallus und alle lachen herzlich, als Hans eine passende Antwort dazu hat. (irgendetwas mit seiner Schuhgrösse :-)) Doch das Angebot lehnen wir freundlich ab und erklären ihnen, dass wir die Kultur respektieren und daher von hier nichts wegtragen werden.
Was sind wir erstaunt, als wir am offiziellen Museum der Insel anhalten und der Archäologe uns sein schönstes Fundstück zeigt und es danach einfach auf der Straße stehen lässt, als wir durch das Dorf wandern um uns weitere Orte anzusehen. Das Museum in seiner schlichten und provisorischen Art zeigt uns, wie wenig Geld hier für die Forschung und den Erhalt dieser Kulturgüter vorhanden ist. Wenn ihr mehr dazu erfahren möchtet, dann schaut mal unter: Tumaco-La Tolita-Kultur. Wirklich ein Vergessener Schatz!
Auch als wir später durch die Mangroven fahren und lernen, dass wir uns hier auf den Schmugglerpfaden befinden, gehen mir die Bilder aus dem Museum nicht aus dem Kopf. Der Erhalt von solchen wunderschönen Funden aus der Vergangenheit erfordert einen gewissen Wohlstand – und der ist in Ecuador eben nicht vorhanden.
Die Tour endet bei der Familie unseres Bootsführers und wir lernen ein echtes Familienunternehmen kennen, dass Cocadas produziert. Die Kokosraspeln, der Saft von Zuckerrohr und die Erdnüsse werden mit selbst hergestellter Holzkohle zu einer Masse gekocht. Diese super süße Masse kann man entweder so naschen oder sie wird zu Pralinen weiter verarbeitet. Eine „Süßigkeitenfabrik“ im Mangrovengebiet ohne Straßen. Spannend!
Das Endproduct ist super süß
Noch spannender wird jedoch unser nächster Tag. Wir fahren nach Africa! Tatsächlich nennt sich ein kleines Dorf direkt am Strand so. Hier kann man nur hinlaufen, ein Auto kann nur bei absoluter Ebbe über den Strand und das wollen wir nicht riskieren. Nachdem wir einen Hügel hochgekraxelt sind und wir den enormen Ausblick auf das Meer bewundert haben, treffen wir auf einen ganz besonderen Mann: Arquimedes Simisterra hat in seinem Museum mehr als 6000 Stücke ausgestellt, die er in über 30 Jahren gesammelt hat. Er hat für vieles seine eigene Deutung und ist überzeugt davon bei den gefundenen Tonköpfen auch Außerirdische erkennen zu können. Er spricht über Energien und steht in seinem Museum wie in seinem ganz eigenen Kosmos. Man spürt seine Zufriedenheit, er hat hier seine Berufung gefunden. Ein absolut faszinierender Ort – ein vergessener Schatz! Wer möchte, kann auch hier zwischen den Fundstücken übernachten – aber unsere Hans Loco Tour geht weiter.
..und kreativ zusammengestellt
Wir erreichen den Bahnhof von Alto Tambo. Okay, das Wort „Bahnhof“ trifft es wohl eher nicht. Hier führte bis in die 80er Jahre eine Bahnlinie entlang, die aber aufgrund von einer Straßenanbindung nicht mehr genutzt wurde. Nur zwei kleine Dörfer im Regenwald wurden nicht an die Straße angebunden und so gab es private „Lokführer“ die sich kurzerhand eine Bahn selbst bauten und heute noch die abgeschiedenen Dörfer anfahren. Außerdem wird die Verbindung von Goldsuchern und Holzarbeitern benutzt, die so jeweils näher an ihre Ziele kommen. Und unsere Hans Loco Tour hat so ein Gefährt gebucht mit Abfahrt 14 Uhr. Typisch Deutsch – wir sind deutlich früher dort. Typisch Südamerika: die Abfahrt ist gegen 15 Uhr ! Die Gleise sind halt einspurig und wir warten noch auf die Ankunft von drei Holzbahnen, die dann auch noch ausgeladen werden. Als es dann losrollt, staunen wir nicht schlecht. Unser Lokführer ist etwa 15 Jahre alt, aber kennt offensichtlich alle Schwachstellen im Schienennetz – und davon gibt es viele! Manchmal sind die Verbindungsstücke fehlend, manchmal schwimmt die Schiene im Matsch oder zwischen den einzelnen Schienen gibt es einen guten Abstand. Das alles lässt die Fahrt durch den dichten Regenwald wirklich zu einem Abenteuer werden. Der Lärm vom Motor und die rappelnden Schienen hören sich nicht immer ganz vertrauenswürdig an. Die elektrischen Verbindungen, die Blattfedern, der Benzintank auf dem Dach und die offen liegende Batterie erfreuen Robert und ich mag die Holzbretter als Sitzbänke. Aber die Natur ist wunderschön und der einsetzende Regen gibt dem ganzen einen passenden Rahmen. Regenwald eben! Nach einer Stunde steigen wir aus, die Lok wird auf einem Wagenheber gedreht und wir rattern wieder zurück.
Etwa 3 Kilometer vor unserem Ziel passiert es dann: Nix geht mehr. Das Differenzial ist defekt. Die zugestiegenen Goldsucher machen sich mit ihren Gummistiefeln zu Fuß auf den Rückweg. Sie sind bereits seit 2 Tagen durch den Regenwald gelaufen und offensichtlich war ihre Ausbeute erfolgreich – sie sind gut drauf, da machen die 3 Kilometer auch nichts mehr aus. Unsere „Hans Loco Tour“ kann sich nicht so richtig für den Fußmarsch erwärmen und tatsächlich ist es auch nicht ganz leicht hier zu gehen. Matsch ist tief, Schienen sind locker und Querverbindungen gibt es nicht regelmäßig. Also schiebt die Mannschaft unserer Lok das Gefährt für einige Minuten durch den Regenwald, bis die Steigung zu stark wird. Also laufen wir doch los. Robert und Barbara lernen von den Einheimischen: jeder balanciert auf einem Gleis und in der Mitte halten wir uns an den Händen um unser Gleichgewicht zu halten. Das klappt super!
Aber die Rettung naht! Eine weitere Lok kommt und schleppt uns heim. Sicher verbunden mit einem dünnen Seil 😊. Was für ein Abenteuer!
Müde und glücklich setzen wir uns alle 5 wieder ins Auto und fahren zurück zur Finca Sommerwind. Wie Hans uns angekündigt hatte: wir müssen erstmal alle Klamotten waschen!
Es war eine ganz tolle Tour – wir haben echte vergessene Schätze in Ecuador gefunden und werden viele Erinnerungen daran lange in unserem Kopf behalten. Danke Hans, die Tour war LOCO!
ride2seetheworld
Spannende, eindrucksvolle Bahnfahrt!
Liebe Grüße aus dem im Vergleich zuverlässigem ICE nch Frankfurt…😉