So einiges Kurioses….
So einiges Kurioses….

So einiges Kurioses….

Matmata ist bekannt für seine Höhlenwohnungen und wir sind bei unserer Ankunft erstmal geschockt. Das erste Mal sind uns die Tunesier zu aufdringlich, das erste Mal nervt uns das „Kommen Sie hier her“ „Wollen Sie die Star Wars Kulisse besichtigen?“ „Essen Sie in meinem Restaurant“. Wir bleiben im Kondor! Wir stoppen nicht neben den drei Reisebussen an der berühmten Star Wars Kulisse vom Siri Idriss Hotel und bleiben auch nicht neben den 5 Jeeps stehen, deren Besitzer sich gerade in einem Tourirestaurant das sicherlich leckere Lamm einverleiben. Wir fahren einfach wieder auf der anderen Seite des Ortes raus. Da wo alle Halten wollen wir heute nicht sein.

Und als so langsam die Besiedlung dünner wird, sehe ich plötzlich auf der linken Seite ein handgeschriebenes, verwittertes kleines Schild: Troglodyt. Stopp rufe ich, bitte umdrehen, das fühlt sich gut an! Wir fahren etwa 400 Meter auf einer sehr schlechten schmalen Nebenstraße und kommen über eine kleine Anhöhe. Auf der anderen Seite blicken wir in ein Tal und sehen drei Frauen, die uns schüchtern, aber bestätigend zuwinken. Hier wohnen sie und zeigen uns gerne ihr Zuhause – sie zeigen uns ihre Troglodytenwohnung. Nur etwa noch 200 Familien leben in diesen traditionellen Behausungen. Um einen nach oben offenen Innenhof wurden verschieden Höhlen in den weichen Sandsstein gegraben. Durch ihre „Kellerlage“ bieten die Wohnhöhlen optimalen Schutz vor der extremen Hitze aber gleichzeitig haben sie auch kein Wassersystem oder andere Bequemlichkeiten der modernen Welt.

Die drei laden uns ein – wir dürfen ihre Höhlenwohnung besuchen

Wir parken also den Kondor vor so einer Höhlenwohnung und steigen aus. Eine der Frauen spricht gutes Französisch und so können wir uns sehr gut verständigen. Sie schaut ganz neugierig auf den Kondor – und so lade ich sie erstmal in unser rollendes Haus ein. Als ich dann auch noch die Oma der Familie in den Kondor bitte, ist diese vor Begeisterung gar nicht mehr zu halten. Mehr als einmal muss ich den Wasserhahn anmachen und die alte Frau quietscht vor Begeisterung! So etwas Kurioses hat sie noch nie gesehen. Fließendes Wasser in einem Auto! In ihrem Haus gibt es nur Wasser in einem Eimer aus der nahen Zisterne. Doch auch wir sind begeistert von ihrem Haus, auch wenn wir das nicht durch so quietschende Rufe ausdrücken. Wir dürfen uns alle Zimmer ansehen und bekommen einige Erklärungen über ihr Leben. Das Klima ist fantastisch und der Tee im Innenhof auch. Die Frauen erzählen uns, wie wichtig die Einnahmequelle „Tourismus“ für sie ist und da wir ihnen keinen Teppich abkaufen, lassen wir als freiwillige Spende für die Besichtigung ihrer Wohnräume und die Einladung zum Tee etwas Geld da. Ich hatte kurz überlegt, ob wir sie zu einer Spritztour im Kondor noch mitnehmen. Das hätte der fröhlichen Grußmutter sicherlich gefallen und sie hätte mit uns zusammen noch einige verlassene Höhlenwohnungen anschauen können.

Der Eingang ist mit traditionellen Zeichnungen verziert
Im Eingangsbereich wird das Korn gemahlen
Der Innenhof ist das Zentrum
hier werden auch die Handys an die Wand gehängt, damit sie Empfang haben
Der Kornspeicher ist nur über eine Leiter zu erreichen (als Schutz gegen Tiere, aber nicht vor Robert)
Das Wohnzimmer
Die Küche, alles wird abgedeckt gegen Staub und Fliegen
Wir trinken Tee und dippen das selbstgebackene Brot in den eigenen Honig

Von Bärbel aus Deutschland erhielten wir vor ein paar Wochen eine Nachricht, sie hätten einen Bekannten in Douz und wir könnten ihn jederzeit gerne kontaktieren. Das habe ich dann auch gemacht und bin seit dem sehr regelmäßig in Kontakt mit Mohamed. Als wir dann endlich unseren Kondor in Richtung Douz lenken, wollen wir ihn natürlich auch persönlich kennenlernen. Aber erstmal füllen wir im örtlichen Carrefour Supermarkt unsere Vorräte auf und finden dabei ein sehr lecker aussehendes gegrilltes Hähnchen, welches wir dann erstmal direkt vor dem Tor zur Sahara mit einem Möhrensalat verspeisen.

Wir sitzen also vor dem Kondor und genießen die Wärme und den Blick in Richtung Sahara, als ein Moped hält und der Fahrer uns anspricht. Soweit wirklich nichts ungewöhnliches in diesem Land – aber tatsächlich ist es „unser“ Mohamed! Wie hat der uns gefunden? Beduineninstinkt? Er freut sich sehr, uns endlich persönlich kennenzulernen und läd uns erstmal auf ein Bier ein. Noch ungewöhnlicher, in einem Land in dem die meisten Menschen keinen Alkohol trinken und wenn dann nur heimlich. Auf seinem Grundstück hat er eine Art privaten Stellplatz eingerichtet und so beschließen wir, bei ihm eine Nacht zu verbringen. Das ist eine gute Entscheidung, denn sofort bekommen wir auch Familienanschluß. Wir lernen seine Schwestern mit seinen Neffen und Nichten kennen und werden für den nächsten Abend zum Essen eingeladen.

Mohamed „findet“ uns, bevor wir ihn gefunden haben
In dieser Straße wohnt er mit seiner Familie
An seinem Neubau baut er seit 13 Jahren

Wir sitzen in dem schlichten „Wohnzimmer“ auf den Sitzkissen und essen von einem kleinen niedrigen Tischchen. Es gibt Suppe, Brick, Couscous und Orangen. Leider ohne die Schwestern….. Nur der kleine Neffe darf bei uns sein und hört uns interessiert zu. Denn um die Liste der ungewöhnlichen Begebenheiten zu vervollständigen: Wir haben festgestellt, dass wir uns am flüssigsten auf Spanisch unterhalten können! Mohamed spricht es fließend und erklärt uns, er habe das alles nur von Touristen gelernt.  Schon irgendwie lustig: Wir sitzen mit einem Beduinen, der tatsächlich in der Wüste geboren wurde und erst mit 6 Jahren in die Stadt kam, zusammen in seinem Wohnzimmer, der Fernseher bringt tunesische Nachrichten, wir essen typische Speisen und sprechen gemeinsam Spanisch.

Wir essen hier gemeinsam

Als wir nach dem Abendessen noch einen Verdauungsspaziergang machen, lernen wir den Besitzer des nahen Lebensmittelladen kennen. Er plaudert mit uns und erzählt, das alle etwa 150 Bewohner dieses Viertels zu seiner Familie gehören. Der fröhliche Besitzer des Ladens sagt: „Meine Aufgabe besteht darin, für meine große Familie immer das Nötigste da zu haben. Deshalb hat er auch an 7 Tagen in der Woche etwa 12 – 14 Stunden den Laden geöffnet. Morgen jedoch wird er mit seinen Kinder und seiner Frau einen Tag in die Wüste fahren, da gerade Schulferien seien. Unglaublich! Seine perfekt englisch sprechende Frau und seine Kinder kommen alle neugierig aus dem Haus und gesellen sich zu uns in den Laden. Ich frage nach einem Foto und erfreulicherweise ist auch die Ehefrau gleich einverstanden. Keine Selbstverständlichkeit!

Der Lebensmittelladen in der Nachbarschaft
Wir lernen die Familie kennen

Am Donnerstag ist Markttag in Douz! Na klar: In dieser Woche mit uns. Der Markt ist wirklich riesig und zieht sich durch die verwinkelten Gassen der Stadt und jede Ecke hat andere Waren. Viele Beduinen aus der Umgebung kommen an einem Markttag in die Stadt. Entweder bringen sie zwei, drei Ziegen auf einem Dreirad oder sie kaufen Stroh für ihre Kamele oder Gemüse und Obst für die Familien. Meine Lieblingsecke ist der Strohmarkt! Meterhoch türmen sich die riesigen Ballen auf den LKWs und werden von den Verkäufern nach unten geworfen, wenn sich ein Geschäft anbahnt. Die Stimmung ist irgendwie wuselig und gleichzeitig überraschend lässig und ruhig. Hier wird gefeilscht, das Stroh auf seine Qualität überprüft, Neuigkeiten ausgetauscht und Geschäfte mit einer kleinen Geste besiegelt. Keiner ruft oder wird hektisch, die Bewegungen wirken wie aufeinander abgestimmt und alles erinnert mich an ein modernes Ballett. Kein Strohballen verfehlt sein Ziel.

Der Strohmarkt
Die Lieferkette vom Stroh….

Wir gehen über den Viehmarkt und sprechen darüber wieviel Fürsorge und Empathie wir in unserer Kultur mit Tieren haben und wie schwer es zu verstehen ist, wenn das in anderen Kulturen nicht so ist. Manchmal möchte man wirklich lieber wegsehen, wie die Tiere transportiert werden, wie sie angebunden sind und wie die Männer mit ihnen umgehen. Außer Jeanette und mir sind übrigens wirklich keine Frauen auf dem Viehmarkt zu sehen. Die Ware „Tier“ wird wohl ausschließlich von Männern gehandelt.

Der Viehmarkt ist nichts für Tierfreunde
Die Männer vom Viehmarkt

Nach über zwei Stunden Marktgewusel und Einkauf macht mein kaputter Fuß schlapp. Zurück zum Kondor und wir verlassen Douz um in Richtung Touzeur zu fahren.

Markt in Douz

Unterwegs sehen wir plötzlich von weitem ein merkwürdiges Gebäude aus dem es oben rausqualmt, rausdampft oder so…. Wir haben keine Ahnung was dieser verfallenen riesige turmartige Klotz sein könnte. Ein verfallenes Industriegebäude aus dem es herausdampft? Wir können uns das nicht erklären. Als wir näher kommen, sagt Robert plötzlich: „Schau mal, da steht doch die Kuscheldose“. Wir hatten Ulrike und Holger in Chenini kennengelernt und inzwischen zweimal zufällig unterwegs wieder getroffen. Ihr Van trägt den schönen Namen „Kuscheldose“ und die beiden sind auch Vollzeit auf Reisen. Mit an Bord ist ihr süßer Hund Oskar. Wir sehen also die Kuscheldose dort an diesem Dampfgebäude stehen und fahren natürlich sofort hin. Was wir dort vorfinden ist wirklich kurios. Die Gegend bei Kebilli im Süden von Tunesien hat unzählige Kühltürme. Und an genau so einem stehen wir jetzt. Aus dem Boden kommt über 70 Grad heißes Thermalwasser und wird über diesen Kühlturm und über Kühltreppen heruntergekühlt. Hier baden die Einheimischen in verfallenen Kühlspiralen, waschen sich die Haare, putzen die Zähne oder bringen gleich ihre gesamte Schmutzwäsche mit. Also baden auch wir! Später wird das Wasser dann für die Bewässerung der nahen Dattelhaine benutzt. So sitzen wir in Wüstennähe in badewannenwarmem Wasser und bestaunen den verfallenen Wasserturm vor uns! Kurios!

Danke Holger für das tolle Bild!

Nur etwa 10 km weiter findet unsere schlaue App Park4night einen Platz zum Schlafen genau an einem solchen Turm. Ganz vielversprechend nennt es sich Oasis Hotsprings – aber der Kühlturm sieht nun wirklich ganz anders aus als der Name verspricht.

Oasis Hotsprings….

ein toller Platz – mit Zeltpremiere!
Nach dem Regen gibt es Blumen in der Nähe
Lagerfeueridylle
Schlammwüste nach Regenfällen

Wir parken mit der Kuscheldose und mit Massimo und Rosi etwa 400 Meter vom Turm entfernt zwischen Dünen und Dattelpalmenhainen. Ein Traumplatz für ein Traumlagerfeuer. Jeanette ist auch ganz begeistert von dem Platz und baut ganz euphorisch das erstemal seit über 2 Monaten auf unserer Reise ihr Zelt auf. Und was passiert? In der Nacht um 2 Uhr startet ein ungewöhnlich starker Regen, der erst gegen Mittag wieder endet. Und was macht der Regen? Er verwandelt unseren Traumplatz in eine einzige Lehmschlammwüste, wo man bei jedem Schritt tief einsinkt und beim Heben des Fußes den Schuh nicht mehr rausbekommt. Völlig kurios!

Also bleiben wir einfach noch eine weitere Nacht hier, verbringen Zeit mit den anderen zusammen im Kondor und putzen ganz heftig den Schlamm aus allem wieder raus als am nächsten Morgen die Sonne wieder strahlt.

Noch ein Bild von Holger – Oskar schmust mit mir
und mit Robert

In den letzten Tagen haben wir wirklich viel Kurioses, Fremdes und Unerwartetes erlebt. Das lieben wir so am Reisen!

ride2seetheworld  

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