Was war bisher der außergewöhnlichste Ort, an dem ihr von Fremden zum Essen eingeladen worden seid? Wir wandern am Sonntag entlang des Flusses „Oued Thelja“ in der Schlucht von Métlaoui und werden von 4 netten Tunesiern zum Picknick eingeladen – ihr werdet staunen wo!
Aber ich fang mal von vorn an: Aus der Sahara heraus fahren wir in Richtung Norden. Die letzten Herden von Wüstendromedaren kreuzen unseren Weg und die flache Landschaft gibt uns den Blick frei auf die Berge.


Vor uns erhebt sich das Atlasgebirge. Diese Region ist vor allem bekannt durch die Bergoasen Chebika, Tamaqzah und Mides. Genau da wollen wir hin. Irgendwie hatte ich gar keine Vorstellung was genau eine Bergoase sein könnte, doch dann fahren wir nach Chebika und sofort verliebe ich mich in diesen Ort. Zwischen den schroffen, kahlen, abweisenden Felsen kommt Quellwasser geflossen und bildet einen Wasserlauf, der die Schlucht grün werden lässt. Eine Oase in den Bergen! Jetzt im Frühling blühen Blumen unter den Dattelpalmen, der Klee wächst wunderbar grün und die Bienen summen. Das ist natürlich ein idealer Platz für ein Dorf und auch für eine touristische Infrastruktur. Denn auch die Tunesier besuchen diese Orte gern und erfreuen sich an dem frischen Wasser und an der besonderen Natur.




In der Oase quatsche länger mit einem Souvenirverkäufer, der mich gestern am Abend bereits im Dorf gesehen hatte – er kennt mich 😊. Wir lauschen gemeinsam dem Quaken der Frösche und er zeigt mir Fotos von dem Wasserlauf, der nach einem Regen bis zu 2 Meter hoch Wasser führt. Wahnsinn! Jetzt ist es eher ein zentimeterhohes Rinnsal, obwohl wir vor wenigen Wochen einige Regenfälle hatten. Ich überzeuge ihn davon, dass ich auch ohne Kühlschrankmagnet und Stofftierkamel gut weiterreisen werde und gehe zurück zum Kondor, wo Jeanette und Robert bereits auf mich warten obwohl sie den sehr viel längeren Weg zurück genommen hatten.

Die Schluchten von Tamaqzah und Mides erlaufen wir allein, nachdem wir uns gegen die „Ich zeige dir die schönsten Stellen – Führer“ erfolgreich gewehrt haben. Wie wunderschön hier die Natur ist. Das Wasser hat sich über Millionen von Jahren einen Weg gebahnt und hat bizarre Schluchten hinterlassen, durch die wir jetzt staunen wandern. Deutlich sehen wir die verschiedenen Gesteinsschichten, die mit Muscheln durchsetzten, die bröseligen Mergelschichten und die Kalksteinschichten und wir finden wunderschöne Steine. Vielleicht werden wir doch noch Mineraliensammler? Na, ja auf jeden Fall fängt uns die Magie dieser Orte ein. Auch weil wir in den beiden Schluchten keinem anderen Menschen begegnen – es ist so wunderbar still!













Und dann fahren wir vorbei an der Stelle, an der die Grenze nach Algerien genau noch 500 Meter entfernt ist. Das gesamte Gebiet wird mit starker Polizei- und Militärpräsenz bewacht und wir hören von einigen Reisenden, das auch das Freistehen hier nicht gern gesehen wird. Die Polizei hat Sorge um die Touristen – auch wenn hier seit ewigen Zeiten nichts passiert ist.
Also fahren wir weiter bis nach Redeyef, um auf der berühmten Rommelpiste erneut unsere Fahrerfahrungen zu bereichern und dem Kondor das Gelände zu zeigen. Und sehenswert ist es hier auf jeden Fall. Es gefällt uns so gut, dass wir gleich zwei Nächte auf dem Hochplateau oberhalb der neuen Straße bleiben. Atemberaubende Ausblicke auf die nahe Sahara inklusive.







Ja und dann fahren wir nach Metlaoui. Einkaufen, Wasser an der Tankstelle auffüllen – Diesel ohne Schwefel gibt es mal wieder nicht und dann zur Schlucht. Hier fährt ein Zug von der 6 Kilometer entfernten Phosphatmine und auf diesen Gleisen wandern wir lang. Das Gehen ist nicht ganz einfach, da wir immer wieder nach unten schauen müssen, um die Bahnschwellen zu treffen. Die Tunnel sind sehr dunkel und eng und wir lauschen immer genau, ob wir einen Zug von Ferne hören können. Irgendwie haben wir wirklich keine Lust, wenige Zentimeter vom Zug entfernt im Tunnel stehen zu müssen. Aber wir haben Glück, alle drei Züge während unserer Wanderung kommen uns auf freier Fläche entgegen.












Das Tal ist wirklich etwas ganz Besonderes: Der Frühling hält Einzug und hier wachsen mehr Blumen und Gräser, als wir bisher in ganz Tunesien zusammen gesehen haben. Die Schlucht, die wir nach etwa 5 Kilometern Wanderung erreichen, ist atemberaubend mit ihren steilen Klippen. Neben den Gleisen fließt ein Fluss und um auch hier bei Regen dem vielen Wasser einen Weg zu geben, wurden unter die Schienen Wasserunterführungen gebaut. Diese Unterführungen sind im Moment leer! Aber sie eignen sich eben auch für ein tolles Picknick von Tunesiern, die sehr darauf bedacht sind, nicht zu viel Sonne an ihre Haut zu lassen. Wir meiden bei etwa 18 Grad jeden Schatten – aber natürlich nehmen wir die fröhliche Einladung zum Essen bei Bahi, seiner Verlobten und den Freunden sehr gerne an. So sitzen wir etwas fröstelnd im dunklen Tunnel unter den Bahngleisen auf den mitgebrachten Teppichen, essen das köstliche Essen und sprechen über alles Mögliche. Ganz Barbara: „Ach, ihr seid verlobt? Wollt ihr bald heiraten?“ Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen von der Verlobten: „Inshallah (So Gott will)“ und Bahi erklärt uns, wie wenig er in der Mine verdient und wie teuer eine Hochzeit für ihn sei. Wir lachen aber auch viel über andere Themen und ich nehme mir doch noch eine freche Frage raus, als er seine Wasserpfeife anzündet : „Rauchen Frauen in Tunesien auch?“ Alle lachen und Bahi sagt: „Natürlich nicht“! Und dann höre ich: „Wir Frauen dürften rauchen, wenn wir wollten, aber die Traditionen sind anders“. Zum Abschied umarmen wir uns sehr herzlich und werden auch noch für den Abend ins Haus eingeladen, was wir jedoch ablehnen. Den selbstgebackenen Kuchen können wir aber wirklich nicht ablehnen und so gehen wir sogar noch beschenkt zurück zum Kondor. Eine sehr bereichernde Begegnung mit wertvollen Einblicken in eine andere Kultur. Eine Kultur in der Gastfreundschaft einen ganz wichtigen Stellenwert hat. Unvergesslich für uns: Eine Einladung im Tunnel unter den Bahngleisen!!


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