Ich sitze in meinem Bett, schaue zwischen den Fahrrädern aus dem Heckfenster auf das unruhige Meer und höre die Regentropfen und den Wind. Manchmal wackelt der Kondor in den Sturmböen – es ist so gemütlich im Van.
Wir stehen in Pylos am Hafenkai, direkt an der Wasserkante, zwischen etwa 10 anderen Campern und nutzen das Wetter für Dinge wie Fotosicherung, Handy aufräumen, lesen, arbeiten (Jeanette) und Blog schreiben.
Ich mache mir Gedanken über unsere Reiseart. 2018 sind wir gestartet mit unseren zwei Motorrädern und haben ca. 150.000 km von der Welt gesehen. Jetzt mit dem Kondor sind wir vor 2 Monaten und 20 Tagen in Deutschland losgefahren und haben seit dem etwa 5000 km „erfahren“. Fahren, um die Welt zu erleben! Ride2seetheworld!
Einiges hat sich verändert durch unseren Wechsel der Fahrzeuge, aber das Wesentliche ist geblieben: Wir sind auf einem Road Trip! Diese Reiseart ist für uns das Maximum an Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung: jeden Tag zu überlegen wohin wir fahren, jeden Moment zu wissen, wir könnten anhalten, jeden Nachmittag einen schönen Schlafplatz zu suchen und an jedem Ort so lange zu bleiben, wie es sich gut anfühlt. Wir erleben die Natur, die Menschen und die Länder und wir sind selbstbestimmt und absolut spontan unterwegs. Planung gibt es bei uns fast nie. Manchmal fällt mir der Song von Reinhard Mey ein „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ und dann denke ich mir – er hätte auch einen Roadtrip besingen können.
In den letzten Tagen sind wir entlang der „Finger“ der Peleponnes gefahren und haben dabei wieder so vieles erlebt und gesehen.
Gestern früh hatte uns die Wettervorhersage bereits Regen angekündigt – aber wir erwischten noch bestes Besichtigungswetter für eine wirklich sehr beeindruckende Burgruine. Die mittelalterliche Festung von Methoni hatten wir für uns allein und so konnten wir wirklich in jeden verfallenen Gang krabbeln (und manche waren echt niedrig) und über die Mauerreste balancieren, um die riesige Anlage und das Meer zu bestaunen. Auch hier machte ich mir ein paar Gedanken über das Zusammenspiel von „Freiheit“ und „Sicherheit“ 😊! In Deutschland wären hier hunderte von Warnschildern, Geländern, Absperrungen und Verboten angebracht. In Griechenland – NIX davon!
Am Tag vorher waren wir in Koroni – Erinnerungen an unser Zeit während des coronabedingten Lockdowns wurden wach. 😊 Hier verbrachten wir einige Tage zusammen mit Heike und Gerd im Dezember 2020 und verliebten uns in das charmante kleine Fischerdorf mit den engen Gassen und den vielen Katzen. Jetzt konnten wir auch in das kleine Nonnenkloster auf dem Burgberg gehen und uns von der Atmosphäre bezaubern lassen.
Und im kleinen Souvenirshop der Nonnen hatten wir das Bedürfnis etwas Geld da zu lassen – aber entschieden uns gegen den Kauf eines Heiligenbildes. Zwei neue dünne Baumwollhandtücher passen besser zu unserer Reiseart. Ich mag einfach die „Synthetikfaserschnelltrockenreisehandtücher“ nicht mehr.
Die Wanderung zum Leuchtturm am Cape Tainaron auf dem Finger der Mani war nicht ganz einfach zu gehen, aber mit einigen historischen Resten und dem wunderbaren Ausblick auf das Meer und die vorbeifahrenden Schiffe ein weiteres Highlight der letzten Tage. Robert ist begeisterter Fan von Leuchttürmen und dieser hier ist auch wirklich ein besonders schönes Exemplar. Er steht am zweit südlichsten Punkt vom europäischen Festland. Nur Tarifa ist südlicher! Natürlich haben wir bestes Sonnenliegenwetter (mit Steppjacke)😊.
Ein Erlebnis für Robert war auf jeden Fall auch die nicht ganz einfache Eroberung des Schiffswrack, welches in der Nähe von Gythio liegt. Wir standen hier mit einigen anderen Campern für zwei wunderschöne Strandtage und Wrackerkundungstouren. Durch Zufall trafen wir Finn und Sam wieder, die wir vor einiger Zeit in Nafplio kennen gelernt hatten. Zusammen machten sich die drei Jungs auf, durch das total verrostete Innere des vor über 40 Jahren gestrandeten Schiffes zu klettern. Welch ein Abenteuer! Aber auch vom Strand aus hat so ein Wrack eine Faszination, der man sich schwer entziehen kann. Nach unserem gemeinsamen Fischgrillen führte unser Abendspaziergang wieder an dem gruseligen Anblick vorbei… Mit Christstollen und Kaffee bei herrlichem Sonnenschein sieht es gleich freundlicher aus.
Im Versteinerten Wald am Agia Marina Paralia lernten wir etwas über Fossilien und versteinerte Bäume. Hier stehen wir zwei Tage direkt neben diesen Zeitzeugen und sind mal wieder ganz fasziniert was die Natur alles kann. Die versteinerten Baumstümpfe und die vielen Muscheln erzählen Geschichten, die wir aufgrund unserer mangelhaften geologischen Bildung nicht richtig verstehen. Aber wir können es einfach auf uns wirken lassen…. und ein einsamer Platz zum Nacktbaden und Übernachten ist es auch.
Und was macht so einen Road Trip noch aus? Die Faszination von schönen Straßen und all das was man im Vorbeifahren sieht, diese Eindrücke, die sich soviel direkter anfühlen als in einem Film – auch wenn sie nur an uns vorbeigleiten….
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