Dieser Blog ist für alle, die einen kleinen Blick hinter die Kulissen der mexikanischen Bürokratie werfen möchten oder wissen wollen, welche Herausforderungen wir erleben – auf dem Weg zu den mexikanischen Nummernschildern.
Der Anfang: zwei Motorräder und die große Euphorie
Am 07. Oktober 2025 betreten wir mit glänzenden Augen das Motorradgeschäft in San Cristóbal de las Casas. Unsere beiden Italika DM 300 warten dort wie frisch aus einem Katalog – unbenutzt, perfekt, wunderschön.
Wir zählen Pesos, unterschreiben, lachen, und kurz darauf fahren wir im Regen los. Lika und Luna gehören jetzt zu uns.
Wir ahnen nicht, dass der Kauf das Einfachste an der ganzen Geschichte sein wird.
Unser Ziel: Nummernschilder – möglichst schnell
In Mexiko fahren unglaublich viele Motorräder ohne Kennzeichen herum. Aber wir möchten weder Probleme mit der Polizei riskieren noch an Grenzen scheitern.
Also: Lika und Luna sollen so schnell wie möglich zugelassen werden.

Chiapas – Hoffnung Nummer eins
Der Händler warnt uns (nach dem Kauf): Ausländer mit Residente Temporal können in Chiapas keine Fahrzeuge zulassen.
Ich wittere Geldmacherei und frage einen Bekannten. Volltreffer! José aus Tuxtla Gutiérrez kennt eine Angestellte der Zulassungsbehörde. Wir kommunizieren per WhatsApp, sie verspricht uns die Schilder für übermorgen.
Ich schicke alle Dokumente. Sie sagt, wir könnten bei Übergabe zahlen. Am nächsten Tag folgt die ernüchternde Nachricht: Ausländer mit Residente Temporal können in Chiapas kein Fahrzeug zulassen.
Okay, hier funktioniert es wohl wirklich nicht.
Baja California – Hoffnung Nummer zwei
Da fällt mir Erick ein, unser zuverlässiger Helfer, der uns im April in Tijuana, Baja California, die Aufenthaltsgenehmigung besorgt hatte. Wie immer klingt er optimistisch:
„Klar, kein Problem.“
Zwei Tage später schreibt er: „Es geht, aber ihr braucht einen mexikanischen Führerschein. Dafür müsst ihr nach Tijuana.“
Tijuana: nur 3.800 km entfernt.
Eher keine Option. Da muss es doch eine andere Lösung geben.
Yucatán – Hoffnung Nummer drei
Also rufe ich Erick an. „Gibt es irgendeinen Bundesstaat, in dem es für uns funktioniert?“
„Na klar!“, sagt er, „bei mir in Yucatán.“
In Mérida wird alles in drei bis vier Tagen klappen. Ihr braucht nur eine neue Adresse hier. Und das ist bekanntlich wirklich sehr unkompliziert in Mexiko.
Wir entscheiden uns schnell, und am 22.10. erreichen wir Mérida.
Am 23.10. stehen wir das erste Mal in der SSP (Secretaría de Seguridad Pública). Erick kommt etwas zu spät, aber erklärt uns per Whatsapp was wir besorgen sollen. Wir brauchen einen Brief, in dem unsere Meldebehörde gebeten wird, unsere neue Adresse zu bestätigen. Also eine Aufforderung zur Bestätigung der Anmeldung.
(Kurze Frage an die Leser: Ginge das auch effizienter? Ich frage nur für zwei Freunde.)


Also ist der nächste Schritt ein Besuch in „unserer neuen Heimat“ Progreso. Wir vereinbaren einen Termin mit Erick im Immigrationsamt dort.
Doch plötzlich „verschwindet“ Erick.
Nicht erreichbar.
Vier Tage lang.
Er kommt nicht zum vereinbarten Termin. Keine Nachrichten, kein Lebenszeichen – und er hat unsere Residente-Karten.
Ich schwanke zwischen
„Er hat uns reingelegt“,
„Er hatte einen Unfall“
und
„Er hat einen Burnout.“
Robert glaubt wie immer unbeirrt an das Gute. Und tatsächlich:
Nach vier Tagen ruft Erick an.
Eine Entschuldigung.
Eine nicht ganz glaubhafte Story: Er hatte sein Handy verloren – und meine Residente-Karte gleich mit.
Also steht nun auch noch dafür eine Neuausstellung an. (Ich mochte mein altes Foto eh nicht)



Progreso: Neuanfang am Meer
Also fahren wir eine Woche später nach Progreso, dem kleinen Küstenort, der nun unser „Wohnsitz“ sein soll.
Der Besuch im Amt dort ist überraschend angenehm.
Ruhig.
Freundlich.
Kaum Wartezeit.
Und trotz der Tatsache, dass unsere mitgebrachte Stromrechnung nicht einmal unseren Namen trägt, erhalten wir sowohl die Adressbestätigung als auch – für mich – eine neue Residente-Karte. So geht Wohnsitzanmeldung in Mexiko.
Ich bin erleichtert.
Und das Meer in Progreso macht es leicht, wieder entspannt durch zu atmen.

Die langen Morgende vor der SSP
Mit Erick läuft es nun wieder zuverlässig – nur leider erfolglos.
Zweimal stehen wir morgens vor der SSP-Schlange, einmal ist er um 5 Uhr, einmal um 3 Uhr dort, um einen Termin für uns zu ergattern. Wir kommen erst gegen 7 Uhr, aber dürfen um 9 Uhr erfolglos wieder fahren. Einfach nicht reingekommen, weil zu viele vor uns gewartet haben oder einen Termin hatten.
Also bleibt nur Plan D:
Ericks Freund Rafa, ein professioneller Zulassungsanwalt. Für rund 230 Euro sorgt er für einen Termin in der kommenden Woche.
Er verspricht: um 8 Uhr kommen, um 10 Uhr mit Nummernschildern fahren.
Wir sind begeistert.
Der Tag der (Nicht-)Zulassung
11.11.2025.
Wir sind überpünktlich vor Ort. Rafa erwartet uns bereits.
Wir warten gemeinsam.
Unsere Dokumente werden gegen 12 Uhr geprüft – er macht die Schalterarbeit für uns.
Wir warten weiter.
Ich darf um 14 Uhr in den Hof zur Motorrad-Inspektion. (VIN und Motornummer werden verglichen)
Robert wird nicht aufgerufen.
Rafa wird nervös.
Um 15:30 Uhr kommt er mit der niederschmetternden Nachricht:
Die Behörde „glaubt“ unserer Rechnung nicht und möchte erst die Echtheit des Kaufes überprüfen.
Selbst Rafa, der seit sechs Jahren dort arbeitet und den Chef persönlich kennt, kann nichts ausrichten.
Nach acht endlosen Stunden verlassen wir das Amt – ohne Nummernschilder.
Wir sollen in etwa zehn Tagen wiederkommen. Wir werden informiert …
Und was macht das mit uns?
Robert wiederholt es immer wieder: „Alles ist für etwas gut.“
Vielleicht bedeutet dieses für etwas:
uns entschleunigen.
uns tiefer in Mexiko ankommen lassen.
uns Zeit zu schenken, bevor wir wirklich losrollen.
Schon vor der Reise hatte ich mir gewünscht, dass wir langsamer unterwegs sind. Weniger vorwärts streben, mehr bleiben. Weniger Strecke, mehr Sein.
Und genau das passiert jetzt – ob wir es geplant haben oder nicht.
Wir genießen Mérida.
Wir genießen Homún.
Wir genießen Progreso.
Wir spüren: Reisen besteht nicht nur aus Kilometern.
Manchmal besteht es aus der Ruhe, einfach dazubleiben – und zu merken, wie gut es tut.
ride2seethewold

