Was ist Sisal – und warum hier?
Sisal – was ist das eigentlich? Und was hat es mit Yucatán zu tun, wo wir uns gerade aufhalten?
Wir kennen Agaven vor allem als Grundlage für Tequila und Mezcal. Aber im 19. Jahrhundert wurde aus ihnen etwas gewonnen, das Yucatán reich machte – und gleichzeitig unzählige Menschen in Armut und Abhängigkeit hielt: Henequén oder auch Sisal genannt, das „grüne Gold von Yucatán“.


In den letzten Tagen sind wir rund um Mérida unterwegs und tauchen ein in die Geschichte dieser Pflanze. Sie brachte den Haciendabesitzern Reichtum, den Mayas jedoch harte, fast sklavenähnliche Arbeitsbedingungen. Dieser Teil der Geschichte ist uns bisher unbekannt und macht uns neugierig – und so beginnt unsere Spurensuche.
Hacienda Kampepen – Ruinen und Cenoten
Unsere erste Station: die Hacienda Kampepen bei Homún.
Einst eine blühende Sisal-Hacienda – heute Ruinen, umgeben von zwei traumhaften Cenoten. Zwischen einsturzgefährdeten Mauern und einer alles überwuchernden Natur versuchen wir uns vorzustellen, wie hier früher das Summen der Entfaserungsmaschinen, das Klirren der Werkzeuge und die Stimmen der Arbeiter zu hören waren.
Die Agavenblätter wurden in großen Mengen angebaut, in Maschinen zerquetscht – übrig blieb die zähe, helle Faser: Sisal, Grundlage für Seile, Säcke und Taue in aller Welt. Viel Fantasie ist nötig – aber die Atmosphäre trägt noch Spuren von damals.










Mit der Pferdebahn zu den verborgenen Cenoten
Am Abend fragt uns Aleph, ob wir Lust auf ein besonderes Erlebnis hätten: eine Fahrt mit einem originalen Schienenwagen, wie er früher zum Sisaltransport genutzt wurde – gezogen von einem Pferd – mitten durch den Wald zu mehreren Cenoten bei Nacht. Wir sagen natürlich sofort ja. Mit dabei: Linda und Max, zwei Reisende aus unserem Hostel.
Der Wagen rattert langsam durch die Dunkelheit, über alte Schienen mitten im Wald. Kein Straßenlärm, kein Licht, nur das Schnauben des Pferdes, Grillenzirpen und die Wärme der Nacht.
Nach einigen Minuten halten wir an der ersten Cenote. Bevor wir die Treppe hinabsteigen, bleibt Aleph stehen, legt eine Hand auf seine Brust und bittet – ganz leise – um Erlaubnis, diesen Ort betreten zu dürfen. Dann führt er uns Hand in Hand über eine schmale, steile Treppe hinunter in die Höhle. Unten ist es vollkommen dunkel.
Wir stehen in der Finsternis und Aleph bittet uns, die Augen geschlossen zu halten. In der Stille spricht er ruhig über das Wasser – über seine Energie, seine Klarheit, seine Verbindung zu allem Lebendigen. Dann schaltet er das Licht ein und wir dürfen langsam die Augen öffnen.
Vor uns liegt eine unterirdische Welt: kristallklares Wasser, in dem die Scheinwerfer bis auf den Grund scheinen. Tropfsteine hängen wie Vorhänge von der Decke, die Felsen glitzern feucht, und jeder Laut hallt in der Höhle wider. Niemand sagt ein Wort. Niemand wagt es, diese stille Schönheit zu stören. Nur langsam durchbrechen wir diesen Zauber, um voller Ehrfurcht in das erfrischende Nass einzutauchen. Herrlich!
So besuchen wir in dieser Nacht mehrere Höhlen-Cenoten, jede anders, jede auf ihre Art magisch – verborgen unter der Erde, geschützt von Zeit und Dunkelheit. Mystisch. Kraftvoll. Unvergesslich





Im Mayamuseum Merida – Geschichte wird greifbar
Ein paar Tage später stehen wir im Gran Museo del Mundo Maya in Mérida. Hier erfahren wir mehr über das „Grüne Gold Yucatáns“.
Wir sehen Fotos von endlosen Agavenfeldern, alte Maschinenteilen, Dokumente über Landbesitz – und über das Leben der Maya-Arbeiter, die oft ihr ganzes Leben auf der Hacienda verbrachten.
Und im Palacio de Gobierno beeindruckt uns eine Kunstausstellung zum Thema.
Spätestens jetzt ist klar: Wir wollen noch mehr wissen.

Geburtstagsgeschenk an uns: Ganz nah am grünen Gold
Zur Feier von Roberts Geburtstag gönnen wir uns etwas, das für uns absoluter Luxus ist:
Zwei Übernachtungen in der Hacienda Sotuta de Peón – eine der letzten Haciendas, die bis heute Sisal produziert.
Für rund 120 Euro bekommen wir eine eigene wunderschöne Hütte mit privatem Pool und richtig gutem Frühstück. Und das Beste: Wir können hier eine Tour buchen, bei der die Sisalproduktion noch live gezeigt wird.



Wie entsteht Sisal? – Kurz erklärt
- Anbau der Henequén-Agave
Die stacheligen Agaven wachsen mehrere Jahre, bis die Blätter geerntet werden können. - Schneiden der Blätter
Per Hand mit Macheten abgeschnitten – oft hunderte am Tag. - „Raspado“ – das Entfasern
Auf einer Maschine werden die Blätter zerquetscht. Das Fruchtfleisch verschwindet, nur die langen Fasern bleiben. - Waschen & Trocknen
Die Fasern werden gewaschen, dann tagelang in der Sonne gebleicht und getrocknet. - Bürsten & Spinnen
Die trockenen Fasern werden gekämmt und zu Seilen gedreht.
Früher arbeiteten hier hunderte Menschen – heute stehen nur noch ein paar Maschinen, die alten Gebäude und das Wissen, das man zum Glück bewahrt.








Tradition trifft Gegenwart
Zwischen alten Haciendas, lauten Maschinen, glasklaren Cenoten und der üppigen Natur verbindet sich hier die Geschichte mit dem Heute.
Sisal ist längst kein „grünes Gold“ mehr, aber es ist ein Faden, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft. Es erzählt von den Menschen dieser Region, von ihrer Stärke und ihrer Kultur – und wir tauchen immer wieder ein in diese spannende Mischung.
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