Diesen Tag in Mexiko zu erleben, war schon lange unser Wunsch – und jetzt ist es Wirklichkeit. Was wir vorher nicht wussten: In Mérida feiert man nicht nur den 1. November, sondern gleich eine ganze Woche lang. Mit Prozessionen, Konzerten, Kunstevents und traditionellen Ritualen tauchen wir mitten hinein in die Kultur der Yucatecos.




Desfile de Catrinas – Farben, Lebensfreude und Gänsehaut
Gestern Abend ergattern wir gegen 18 Uhr zwei heiß begehrte Plätze auf einer der kostenlosen Tribünen direkt neben der Hauptbühne. Um uns herum sitzen und stehen Hunderte Menschen – Familien, Einheimische, Touristen –, alle gespannt auf den Desfile de Catrinas.
Bevor der Umzug beginnt, tritt die Bürgermeisterin auf die Bühne. In einem einfachen weißen Kleid, Einkaufstasche am Arm, keine Bühne-Pose – und doch schafft sie es, mit nur wenigen Sätzen ein ganzes Publikum zu berühren. Ihre Worte sind positiv, emotional und voller Stolz. Als sie ruft: „¡Viva Mérida! ¡Viva México!“, jubeln die Menschen – und mir steigen Tränen in die Augen.
Dann beginnt der Umzug. Ein Feuerwerk aus Farben, Musik, Figuren auf meterhohen Stelzen, Tanzgruppen und purer Lebensfreude. Tradition, Temperament und Gänsehaut – seht die Fotos:









Paseo de las Ánimas – Wenn die Seelen durch Mérida wandern
Unter all den Feierlichkeiten berührt uns eine ganz besonders: der Paseo de las Ánimas am 31. Oktober.
Wir treffen uns mit Wendolyn und Baldy, zwei kubanischstämmigen US-Amerikanern, die nur für dieses Wochenende nach Mexiko geflogen sind. Die Studentinnen der Universität schminken uns kostenlos – klassisch als Catrinas. Dann starten wir am Parque de San Juan und laufen in Richtung Friedhof.
Der Paseo de las Ánimas ist mehr als ein Umzug. Es ist ein stilles Ritual. Man sagt, in dieser Nacht kehren die Seelen der Verstorbenen zu ihren Familien zurück – solange ein Foto von ihnen aufgestellt ist und jemand an sie denkt.





Zwischen Leben und Tod
Der Marsch beginnt dort, wo das Reich der Lebenden endet: am Friedhof von Mérida. Von hier aus ziehen die Teilnehmer durch die Straßen – vorbei an Altären, Kerzen, Rauch von Copalharz und den orangefarbenen Blüten der Cempasúchil, der „Blume der Toten“.
Die geschminkten Gesichter stehen für die Seelen der Verstorbenen. Die Menschen gehen den symbolischen Weg der Ahnen – vom Friedhof zu ihren Familien, zu den liebevoll geschmückten Ofrendas. Auf den Tischen stehen Lieblingsessen der Verstorbenen, Pan de Muerto, Schokolade, Tequila oder Coca-Cola. Man erzählt uns Geschichten, bietet uns zu essen und zu trinken an und erklärt geduldig jede Gabe.
Hier wird nicht getrauert – hier wird erinnert.









Eine Atmosphäre, die unter die Haut geht
Der Paseo de las Ánimas ist kein lautes Fest. Es ist ruhig, fast meditativ. Die meisten tragen Kerzen in den Händen. Ältere Frauen in weißen Huipiles gehen schweigend neben Männern mit klassischen Hüten. Kinder halten sich an den Händen. Niemand drängt, niemand ruft – trotz der vielen Menschen wirkt es auf mich besinnlich.
Wir fühlen uns wie Gäste, denen man für einen Abend erlaubt, an einem Ritual teilzunehmen. Ich fotografiere fast nicht während der Prozession und daher habe ich mir Fotos ausgeliehen von der Facebookseite der Stadt:




Erinnerung als Liebe
Dieser Abend zeigt uns: Erinnerung muss nicht traurig sein. Sie kann Liebe bedeuten, Respekt und Verbundenheit – über den Tod hinaus.
Die Botschaft ist klar und tief: Die Toten sind nicht fort. Sie sind Teil des Lebens.
„Para los que amamos, no existe el adiós. Solo un hasta luego.“
Für die, die wir lieben, gibt es kein Lebewohl. Nur ein Bis später.


ride2seetheworld

Ich hab zwar schon davon gehört (demnächst gibt es bei uns sogar einen Vortrag mit Info über diesen Tag), aber da hab ich allein vom Anschauen schon Gänsehaus bekommen, das ist ja der helle Wahnsinn, was da gemacht wird.
Es war wunderschön…