Wir stehen kurz vor der Grenze nach Belize und bereiten alles für den Grenzübertritt vor. Wo kaufen wir eine SIM-Karte? Welcher Anbieter hat die beste Netzabdeckung? Wie ist der Wechselkurs des Belize-Dollars? Welche Versicherung brauchen wir für die Motorräder – und was kostet sie? Solche Infos sammeln wir gern vorher, denn in einem neuen Land sind wir nicht sofort online.
Unsere Vorbereitungstage verbringen wir in Chetumal, einem sympathischen. Mexikanischen Küstenstädtchen. Zufällig stolpern wir über einen Weihnachtsmarkt, der uns sofort begeistert: Karussell, Riesenrad, unzählige Angebote für Kinder – alles kostenlos. Nur Glühwein (oder überhaupt Alkohol) sucht man hier vergeblich. Haben wir natürlich nicht vermisst….







Mitten in diese Belize-Planung platzt eine Nachricht über Workaway. Amy hat unser Profil gefunden und fragt, ob wir sie unterstützen können. Robert hört nur: Waschmaschine kaputt, Eiswürfelmaschine defekt, Ventilator im Lesezimmer tot, Dach undicht, Plastikmüll am Strand – und sagt sofort:
„Da helfen wir!“
Also drehen wir um, fahren 150 Kilometer zurück und landen bei Amy. Im Paradies.
Amy kommt aus den USA und hat vor vier Jahren mit ihrer Familie eine Villa direkt am Meer gekauft. Heute lebt sie hier allein mit ihren beiden Hunden Luna und Canela. Keine direkten Nachbarn. 30 Kilometer bis Mahahual. Palmen, Strand, eine stetige Meeresbrise, dazu die Geräusche des Dschungels.
Das Haus ist groß: drei Schlafzimmer, eine riesige Küche, ein offener Wohnbereich und eine Veranda über die gesamte Länge – begleitet vom gleichmäßigen Rhythmus der Wellen, die am eigenen Strand brechen. Korallenriffe vor der Haustür, Kanus, Schnorchelausrüstung. Wirklich wunderschön. Jedenfalls auf Bildern.




Wir lernen sehr schnell die andere Seite der Medaille kennen.
Schon der erste Abend zeigt, was auf Fotos nicht zu sehen ist. Ein kühles Bier in der Hängematte bedeutet gleichzeitig: Fütterungszeit für Mücken und Bremsen. Wir flüchten ins Haus, noch bevor das Bier halb leer ist.
Die Nächte im Haus sind trotz Außentemperaturen um die 20 Grad sehr heiß. Die massiven Betonwände geben die Hitze des Tages wieder ab, die Moskitonetze sind nicht dicht, die Klimaanlage unangenehm, der Ventilator zu schwach.
Am zweiten Abend bauen wir unser Zelt auf dem Dach auf. Herrlich wieder draußen zu sein.

Dann kommt der Regen – eine willkommene Abwechslung nach vielen sonnigen Tagen. Wir sitzen auf der Veranda, beobachten das dunkle, brodelnde Meer, hören Donner und zählen Blitze. Amy kommt dazu und sagt nur: „Hilfe, es regnet auch im Haus.“
Vor einigen Jahren hat ein Hurrikan die Gegend schwer getroffen. Seitdem ist das Flachdach undicht. Reparaturen sind kompliziert: Durch neue US-Zollbestimmungen kann Amy kaum noch etwas aus den Staaten bestellen, und viele Materialien sind in diesem Teil Mexikos schlicht nicht verfügbar. Also stehen im Haus Eimer – viele Eimer. Und wir helfen, so gut es geht – und nicht nur dabei:
Inzwischen produziert der Eisbereiter wieder zuverlässig Eiswürfel, die Waschmaschine läuft, Berge von Palmwedeln sind verbrannt, die Hunde regelmäßig ausgeführt. Auf dem Dach arbeiten wir mit Hochdruck – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie so oft bekommen wir viel Lob für unsere Unterstützung. Robert kann einfach alles reparieren und gemeinsam sind wir ein unschlagbares Team.



Man könnte meinen, ein Haus am Strand, umgeben von Palmen und türkisfarbenem Meer, sei der Inbegriff vom Glück. Doch hier lernen wir schnell:
Elektronische Geräte und Metallteile korrodieren schneller, als man „Salzwasser“ sagen kann.
Insekten treiben einen trotz Repellents in einen unfreiwilligen Schuhplattler.
Amys letzter Hund wurde von einem Jaguar gebissen und hat es nicht überlebt.
Die wenigen Nachbarn im Umkreis von 30 Kilometern sind andere Amerikaner, die selten ihre Häuser nutzen – es ist seeehr einsam.
Und die Arbeit am und im Haus nimmt kein Ende – während jede helfende Hand aus den umliegenden mexikanischen Dörfern schlicht zu weit entfernt wohnt.
Ich merke, wie schwer es mir fällt, hier das zu sehen, was viele sofort „Paradies“ nennen würden. Der einsame Strand, die Kokospalmen, das Riff – ja, all das ist da. Aber unser Glück wäre es nicht.
Für uns fühlt sich Paradies anders an: unterwegs zu sein, Freiheit zu erleben, Menschen zu begegnen und die Welt kennenzulernen. Und genau deshalb geht es für uns bald wieder weiter.
ride2seetheworld
